17 Uhr: im Rahmen der Ausstellung "Geschichte findet statt." Galerie Pankow | Breite Straße 8 | 13187 Berlin
Weißes Kreuz, 1922
Öl auf Leinwand
100,5 × 110,6 cm
Peggy Guggenheim Collection, Venedig (Solomon R. Guggenheim Foundation, New York)
Mit einer profund kuratierten Übersichtsausstellung widmet sich das Museum Barberini der Geometrischen Abstraktion, die Wassilij Kandinsky und einige seiner Zeitgenossen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelt hatten. Der Besuch der monumentalen Schau lohnt sich besonders, weil Dutzende großartige Werke aus privaten Sammlungen zu sehen sind.
Als Wassilij Kandinsky in „Punkt und Linie zu Fläche“ seine geometrische Bildsprache und die emotionale Wirkung von Kunst aus seiner Sicht beschrieb, ahnte er vermutlich nicht, was er mit der Publikation anrichten würde. Knapp 100 Jahre nach der Erstauflage 1926 als Bauhaus Buch Nr. 9, genauer gesagt seit dem 15. Februar 2025, zeigt das Museum Barberini in der Ausstellung „Kosmos Kandinsky. Geometrische Abstraktion im 20. Jahrhundert“, wie einflussreich sein Manifest und seine damals entstandenen Werke waren. Insgesamt 125 Arbeiten von 70 Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt hat Kuratorin Sterre Barentsen in den Potsdamer Musentempel geholt und – thematisch gut gegliedert – in den Sälen des Museums untergebacht. So gibt die Ausstellung einen fundierten Überblick über Kandinskys Schaffen und mehr noch über dessen Folgen für die Kunst seit Mitte der 1940er Jahre.
„Kosmos Kandinsky zeigt deutlich, wie unerschrocken und radikal modern die Geometrische Abstraktion stets war“, sagt Barberini-Chefin Ortrud Westheider. Die Ausstellung belege zudem, „dass Kandinsky weitreichende Spuren hinterließ: etwa im russischen Suprematismus, am deutschen Bauhaus oder in der französischen Gruppe Abstraction-Création“, ergänzt Kuratorin Barentsen. „Nach seinem Tod 1944 brachten europäische Exilanten Kandinskys Ideen dann in die USA, wo sich in den folgenden Jahrzehnten Hard Edge und Optical Art entwickelten.“ Verbindend für all diese Strömungen sei das intensive Ausloten der Darstellbarkeit des Raums in der Malerei gewesen. „Zudem waren die Kunstschaffenden ebenso wie Kandinsky fasziniert von den aktuellen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Technik und wollten neue Erfahrungen von Raum und Zeit in ihren Werken zum Ausdruck bringen.“ In der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Forschungen wurde die Geometrische Abstraktion so zu einer Art internationalen Sprache, die kulturelle und geografische Grenzen überwand.
© David von Becker
Keine Sprache freilich ohne Dialekte. So äußerte sich die Geometrische Abstraktion beispielsweise in Form der britischen Constructionists, die sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs in London gründeten und in ihren Werken „Optimismus und Modernisierung des damaligen Wiederaufbaus reflektierten“, erläutert Barentsen. In der Ausstellung sind einige repräsentative Arbeiten dieser Strömung zu sehen, darunter Reliefs, Skulpturen und kinetische Objekte unter anderem von Mary Martin, Barbara Hepworth und Ben Nicholson. Ein anderer Dialekt setzte sich ab den frühen 1960er Jahren in den USA durch: die Hard-Edge-Malerei. Getreu dem Motto: In den USA ist alles etwas größer als anderswo, schufen Künstlerinnen und Künstler wie Al Held, Miriam Shapiro und Frank Stella monumentale Gemälde, in denen sie expressive und narrative Elemente komplett vermieden. „Titel, Komposition und Farbkontraste ihrer Arbeiten deuten dennoch oft auf kulturelle oder persönliche Kontexte hin“, meint Barentsen. Gut zu erkennen sei das etwa in Al Helds „Die Kaiserinwitwe“ oder in Gene Davis´ „Schwarzes Popcorn“; beide sind in der Abteilung Hard Edge zu finden.
Einen Saal weiter fordert die Optical Art (Op-Art) die visuelle Wahrnehmung des Publikums noch etwas mehr heraus. Die gemalten Muster in den Werken von Bridget Riley, Richard Anuszkiewicz und Julian Stanczak scheinen sich zu bewegen oder regelrecht aus ihnen hervorzutreten. „Die Op- Art-Künstler knüpften an die von Kandisky und Kasimir Malewitsch bereits in den 1910er und 1920er Jahren gewonnenen Erkenntnisse zur Wirkung von Farben und Formen an und übertrugen sie in die von Technik, Raumfahrt und TV-Berieselung geprägte Ästhetik der 1960er Jahre“, sagt Barentsen. Anuszkiewicz und Stanczak, von denen neun optisch durchaus irritierende Arbeiten in der Schau gezeigt werden, darunter „Monument Valley“ und „Spätes Leuchten“ – beide aus den Nachlässen der Künstler –, waren Schüler des 1933 vor den Nazis in die USA geflohenen Bauhaus- Lehrers Josef Albers, dessen quadratische Kompositionen als Vorläufer der Op-Art gelten.
© David von Becker
Ganz zum Schluss noch einmal zurück zum Anfang, und zwar zu einer Zeitgenossin Kandinskys, deren Arbeiten hierzulande eher selten in Ausstellungen auftauchen: Ljubow Sergejewna Popowa. Gleich drei Werke der russischen Malerin (1889–1924) holte Barentsen nach Potsdam. Sie stammen aus der berühmten Costakis Collection des Museum of Modern Art in Thessaloniki. Allein diese drei Gemälde – „Raum-Kraft-Konstruktion“ (1920/21 und 1921) sowie „Malerische Architektonik“ (1918/19) – lohnen den Weg ins Barberini. Ihre abstrakte Bildsprache aus Linien und Flächen ist Ausdruck einer Utopie des Fortschritts und war damals so revolutionär wie das Umfeld, in dem sie entstand. „Die positive Kraft, die von diesen drei Gemälden ausgeht, ist enorm“, so eine Besucherin der Schau. Die Gegenüberhängung mit Kandinskys „Weißes Kreuz“ (1922) sei „ein Beleg für die durchdachte Ausstellungsplanung und das Gespür der Kuratorin für die Energie, die diesen Werken noch heute innewohnt – mehr als 100 Jahre nach ihrer Entstehung“. Fazit: unbedingt anschauen!
Ein vielfältiges Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm begleitet die Ausstellung. So sprechen am 12. März die Kunsthistorikerin, Journalistin und Kuratorin Julia Voss sowie der Kunsthistoriker und Kurator Daniel Birnbaum über Kandinskys Kunst. Sie hatten unlängst gemeinsam das Buch „Hilma af Klint und Wassily Kandinsky träumen von der Zukunft“ geschrieben. Und in Kooperation mit dem Nikolaisaal Potsdam findet am 9. Mai ein Konzert mit dem Pianisten Francesco Tristano statt, der sich von Kandinskys Bildwelten zu einem Konzert für Klavier, Live-Elektronik und Visuals inspirieren ließ.
Kosmos Kandinsky. Geometrische Abstraktion im 20. Jahrhundert
Ausstellungsdauer: noch bis 18. Mai 2025
*Öffnungszeiten:** Mo–Sa 9–17 Uhr
Museum Barberini
Humboldtstr. 5–6
Alter Markt
14467 Potsdam
T +49 331 236014-499
www.museum-barberini.de
Titel zum Thema Museum Barberini :
Punkt, Punkt, Komma, Strich – Wie Kandinsky die Welt sah (und die Kunst veränderte)
Ausstellungsbesprechung: Mit einer profund kuratierten Übersichtsausstellung widmet sich das Museum Barberini der Geometrischen Abstraktion, die Wassilij Kandinsky ...
Museum Barberini in Potsdam eröffnet 2017
Bereits letztes Jahr im August wurde bekanntgegeben, dass Ortrud Westheider ab April 2016 die Leitung des von Hasso Plattner getragenen Museums Barberini übernimmt.
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