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Kennen Sie Kafka? Access Kafka im Jüdischen Museum Berlin

von Ferial Nadja Karrasch (21.01.2025)


Kennen Sie Kafka? Access Kafka im Jüdischen Museum Berlin

Franz Kafka, [Schwarzes Notizbuch] – Zeichnungen,
[ca. 1923], סימול ARC. 4* 2000 05 037, Max Brod Archiv, National Library of Israel


Kennen Sie Kafka? Natürlich kennen Sie ihn und natürlich kennen Sie ihn nicht. Kafka, der schwer Entschlüsselbare, der Enigmatische, über den Walter Benjamin schrieb: „Trotzdem erschöpft er sich in dem, was deutbar ist, niemals, hat vielmehr alle erdenklichen Vorkehrungen gegen die Auslegung seine Texte getroffen.“
Gelegenheit, ihn und sein Werk (besser) kennenzulernen, bietet die Ausstellung Access Kafka im Jüdischen Museum Berlin. Freilich war dies im Jubiläumsjahr 2024 nicht die einzige, wohl aber die letzte, mit der „sich der Kreis der vielfältigen Aktivitäten anlässlich von Franz Kafkas 100. Todestag“ schließt, so Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

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Aus der Ausstellung Access Kafka; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Aber in Access Kafka geht es nicht allein um den 1883 in Prag geborenen Schriftsteller: Kuratorin Dr. Shelley Harten zieht Werke zahlreicher zeitgenössischer Künstler*innen hinzu, um die Auseinandersetzung mit Kafkas Werk zu öffnen, neue Perspektiven auf die von ihm aufgeworfenen Themen zu bekommen. Nukleus der Zusammenstellung ist die von Kafka beschriebene Erfahrung, dass die Welt nicht allen offensteht, dass sie sich zuweilen verschließt. Ausgehend von dieser Frage des Zugangs – die für unsere Gegenwart nicht bedeutsamer sein könnte – führen sechs Themenräume in sechs zentrale Themen seines Œuvres ein: Beginnend mit dem verwehrten Zugang, Access Denied, lotst die Ausstellung durch die Kapitel Access Raum, Access Gesetz, Access Judentum, Access Wort und Access Körper. Die insgesamt 31 Originaldokumente, die allesamt aus der National Library Israel, aus den Bodleian Libraries der University of Oxford sowie aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach entliehen sind, schaffen wunderbare Momente der Begegnung mit diesem jedem bekannten und doch unbekannten Kafka. Man begegnet ihn in seinen Briefen und Postkarten, in seinen zauberhaften, lustigen und zuweilen grausigen Skizzen, in seinen Manuskripten, Tagebucheinträgen sowie in seiner handschriftlichen Ansammlung hebräischer Wörter: Wichtige, zu lernende Vokabeln waren für Kafka zum Beispiel „Beweis, gegenwärtig, Zeit, zu meinem Bedauern, Fragen, Tierquälerei, Kritiker, Leser, Regenbogen“, oder auch „das hat einen Beweis, Wange, Ohrfeige, Spinat, Reis, Teich, Getränk, Nase, es ist ausgeschlossen, Kreisel, Verstand“.

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Aus der Ausstellung Access Kafka; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Die Originaldokumente werden in einen Dialog gesetzt mit Werken von Tehching Hsieh, Anne Imhof, Gregor Schneider, Yael Bartana, Marcel Broodthaers und vielen weiteren. Ein spannender Kniff ist hierbei, dass die Kuratorin Kafkas Texte als eigene Werke bildender Kunst betrachtet, als Gemälde oder Skulpturen, die gleichberechtigt neben den anderen Videoarbeiten, Fotografien, Installationen etc. stehen. In jedem Raum kann ein auf DIN A5-Papier gedrucktes Textfragment mitgenommen werden, so dass sich zwischen seinen Schriften und den jeweiligen Werken zeitgenössischer Kunst spannende Verbindungen eröffnen können. Es geht nicht um die Bebilderung von Kafkas Themen durch zeitgenössische Kunst, sondern vielmehr um das Entdecken von Gemeinsamkeiten, Parallelen und letztlich um die Frage, wie Akteur*innen unterschiedlicher Zeiten und Herkünfte mit den immer wiederkehrenden, universellen Fragen umgehen, die uns als Menschen umtreibt. So handelt beispielsweise das Kapitel Access Judentum nicht primär vom Judentum, sondern vielmehr von der Frage der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, einem Staat oder eben zu einer Religion und den damit verbundenen Ritualen, die Gemeinschaft stiften können. In Yael Bartanas Einkanalvideo- und Toninstallation finden sich beispielsweise unterschiedliche diasporische Stimmen zu einer Symphonie zusammen. Und im Kapitel Access Körper wird deutlich, dass gleichsam wie in Kafkas Texten auch in Maria Lassnigs Ölgemälden eine Auseinandersetzung stattfindet, wie der Körper durch die Kunst erfasst werden kann.

Die Ausstellung verfolgt also mehrere Ansätze: Die Begegnung mit Kafka und seinem Werk, der Dialog mit den Positionen zeitgenössischer Kunst, die Auseinandersetzung mit den Fragen des Zugangs sowie die Reflexion über künstlerisches Schaffen. Wenn man sich nicht von diesen vielen Perspektiven überfordern lässt, ist der Besuch dieser Ausstellung ein großer Gewinn!

Künstler*innen: Cory Arcangel, Yuval Barel, Yael Bartana, Guy Ben-Ner, Marcel Broodthaers, Marcel Duchamp, Maria Eichhorn, Mary Flanagan, Ceal Floyer, Lynn Hershman Leeson, Tehching Hsieh, Anne Imhof, Fatoş İrwen, Franz Kafka, Uri Katzenstein, Lina Kim, Martin Kippenberger, Maria Lassnig, Michal Naaman, Trevor Paglen, Alona Rodeh, Roee Rosen, Gregor Schneider, Hito Steyerl

Ausstellungsdauer:
13. Dez 2024 bis 4. Mai 2025

Öffnungszeiten:
Täglich 10–18 Uhr

Jüdisches Museum Berlin
Lindenstr. 9–14
10969 Berlin
www.jmberlin.de

Ferial Nadja Karrasch

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