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Berlin Daily 21.11.2024
Vortrag: Elisabeth Heymer

19:00 Uhr: Verpuppte Kunst. Marionetten in der europäischen Avantgarde. online + Einstein Forum | Am Neuen Markt 7 | 14467 Potsdam

Berlin Biennale: Ich bin Mensch. Eine Masse, die wächst.

von Maximilian Wahlich (21.06.2022)
vorher Abb. Berlin Biennale: Ich bin Mensch. Eine Masse, die wächst.

Raumansicht Akademie der Künste, Hanseatenweg, im Hintergrund: Forensic Architecture, CLOUD STUDIES [Wolkenstudien], 2022 2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, approx. ca. 30? Courtesy Forensic Architecture, Foto: kuag

Prolog – Zerstörung

Alle zwei Jahre findet die Berlin Biennale statt, diesmal kuratiert von dem Künstler Kader Attia und seinem Team. Die Ausstellung verteilt sich auf sechs Standorte in ganz Berlin, darunter auch die Akademie der Künste am Hanseatenweg. Hier werden 19 Positionen gezeigt.
Gemeinsamer Nenner sämtlicher Arbeiten ist die Natur und unser Umgang mit ihr. Fragen nach ihrer Bedeutung und der Definition von Natur werden gestellt. Dabei fallen unterschiedliche Paradoxien auf. Beispielsweise sind unsere Körper einfach organische Materie, davon 98% Wasser. Trotz dessen missbrauchen wir Wasser auch als Waffe (Wasserwerfer) oder als globales Machtinstrument (Wassermangel).
Wir sind eigentlich nur Teil eines Systems. Doch dehnen wir uns darin immer mehr aus, indem wir uns als gesondert wahrnehmen und damit unseren Zugriff auf „die Natur“ begründen. Wir grapschen in sämtliche Prozesse und versuchen sie uns dienlich zu machen. Wir glauben zu wachsen. Und irgendwann ist das Ackerland leergefegt, dann machen wir uns selbst kaputt.

Ausdehnung

Wolken waren einst romantisches Motiv oder malerische Herausforderung. Sie wandeln stets ihre Form, sind eilig und langsam, ihre Konturen verwaschen vor dem blauen Hintergrund. Wolken werden romantisiert, sie wirken weich und ruhig. Und so scheint die „cloud“ noch heute über sämtlichen Unruhen zu schweben und Daten sicher zu verwahren.
Zugleich entpuppen sich die Geschwader am Himmel als giftige Gase spätkapitalistischer Gier. Ein großangelegtes Rechercheprojekt des bekannten Kollektivs Forensic Architecture begreift die vergifteten Wolken als „Kolonisierung“ der Umwelt. Wir vergiften die Luft und nehmen sie einfach ein, machen sie uns nützlich. Verursacher sind Weltkonzerne, westlicher Lebensstil und Kriege.


Raumansicht Akademie der Künste, Hanseatenweg: Mai Nguy?n-Long, SPECIMEN (PERMEATE) [Probe (Permeat)], 2022 Remade adaptation from Neuadaption von SPECIMEN [Probe], 2013, Haushaltsgefäße, gefundene Objekte, organische Materialien, Maße variabel Courtesy Mai Nguy?n-Long, Foto: kuag

Gegenwart

Über zwei lange Regalböden erstrecken sich zahllose Gläser mit rotfarbenem, organisch anmutenden Inhalt. Darunter Puppen, Flüssigkeiten, Textiles und Kunststoff. Alles in allem erinnert die Inszenierung an Gruselfilme, wo ein Frankensteinmonster Menschen mit rostigen Nägeln seziert. Doch mahnt die Installation Specimen (Permeate) [Probe (Permeat), 2022] von Mai Nguyễn-Long an den ganz realen Horror grässlicher Kriegsverbrechen, namentlich Agent Orange in Vietnam. Bis heute leiden die Menschen an den unvorstellbaren Folgen eines kriegerischen Expansionsdrangs. Unsere Gegenwart ist der Schrecken einer ausgeträumten Utopie.
Aber Kader Attia will die Gegenwart reparieren – seine Strategie sind Kunst und Traum. Sie etablieren ihre Zeitlichkeit, ermöglichen die bewusste Wahrnehmung von Gegenwart und schaffen einen eigenen Ort.

Epilog – Kunst und Traum

Auf komisch skurrile Weise erzählt Tuấn Andrew Nguyễn in seiner Zweikanal-Videoarbeit My Ailing Beliefs Can Cure Your Wretched Desires [Meine kränkelnden Überzeugungen können deine elenden Wünsche heilen, 2017] von dem Bedeutungswandel von Natur in unserer Gesellschaft. Wir sehen Szenen einer Schlachterei, einer Arbeitsstätte, wo Tierknochen gesäubert werden sowie Skelette in Naturkundemuseen. Dazu hören wir aus dem Off einen amüsiert-schockierten Dialog einer Schildkröte, einst ein heiliges Tier in Vietnam und eines Java-Nashorns, welches gerade ausstirbt. Schildkröte und Nashorn sprechen über Misshandlungen, unsere Gräueltaten gegenüber der Natur. Sie beide waren vermutlich Opfer von Plünderung und Ausrottung und schauen aus der Ferne auf unsere wahnsinnige „Normalität“.
Eines wird deutlich: Wir müssen der Natur die Natur zurückgeben. Vor allem sollten wir uns selbst als Teil der Natur begreifen. Wir sind nur ein molekularer Haufen im Meer anderer Haufen.

Künstler*innen: Ammar Bouras, Calida Garcia Rawles, Clément Cogitore, DAAR – Sandi Hilal und Alessandro Petti, Dana Levy, Đào Châu Hải, Florian Sông Nguyễn, Forensic Architecture, Imani Jacqueline Brown, Lamia Joreige, Mai Nguyễn - Long, Sammy Baloji, Susan Schuppli, Sven Johne, Tammy Nguyen, Tejswini Narayan Sonawane, Temitayo Ogunbiyi, Tuấn Andrew Nguyễn, Yuyan Wang

Mehr über die Berlin Biennale in unserem Text Fakten und erste Einblicke zur 12. Berlin Biennale für Zeitgenössische Kunst

Akademie der Künste
Hanseatenweg 10
10557 Berlin
info@adk.de
Öffnungszeit: Mi – Mo von 11 – 19 Uhr

www.berlinbiennale.de

Maximilian Wahlich

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Presse: Hallräume der Kunst Tobias Timm / DIE ZEIT, 03.04.2008a

Presse: Banal oder subtil? Carsten Probst / Deutschlandfunk (5.4.2008)

Presse: Lieber artig als großartig Brigitte Werneburg / TAZ (5.4.08)

Presse: Was hinter der Faust haust Niklas Maak / FAZ (4.4.08)

Presse: Auf der Schulter der Moderne Elke Buhr / FR-online (4.4.08)

Presse: Der Kiez wird schwarzweiß Swantje Karich / Frankfurter Allgemeine FAZ Net (10.6.10)

Presse: Die Wirklichkeit spricht Körpersprache Karin Schulze / Spiegel Online (10.6.10)

Presse: Seismogramme der Verwerfungen Volkmar Draeger / Neues Deutschland (11.6.10)

Presse: Draußen wartet die Wirklichkeit NINA APIN & ULRICH GUTMAIR / TAZ (12.6.10)

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