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Die Ausstellung Anno Wilms, die eine große Presseresonanz fand (siehe Artikeln) ist verlängert bis zum 19.06 und kann ab 8. Mai mit max. 4 Personen gleichzeitig, Freitags zwischen 14:00 und 18:00 oder nach Terminvereinbarung Donnerstags und Freitags besucht werden.
„Anno Wilms – Identität und Kontrast“, Collection Regard , Berlin verlängert bis zum 19.06
Die Collection Regard bringt die Fotografien der 2016 verstorbenen Künstlerin Anno Wilms in Erinnerung, deren Interesse gesellschaftlichen Randgruppen, Minderheiten und dem Theater galt.
Sie schien immer mit der Kamera unterwegs gewesen zu sein, die Frau mit den großen schwarzen Augen, Lachfalten und einer wuscheligen Lockenmähne, welche uns von einem ihrer seltenen Selbstporträts schmunzelnd anblickt. Es ist Anno Wilms, eine unglaublich produktive Fotografin, die ihren Nachlass – etwa 40.000 Abzüge und über 6.000 Negativfilme – kurz vor ihrem Tod in die nach ihr benannte Stiftung überführte. Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität und die Bandbreite des Œuvres der 1935 geborenen Berlinerin sind beeindruckend. Als freie Bildjournalistin war sie seit Anfang der 1960er auf so unterschiedlichen Gebieten tätig wie Straßen-, Genre-, Architektur- und Reisefotografie. Sie fertigte schwarzweiße Momentaufnahmen und Milieustudien, die durch ungewöhnliche Perspektiven und Ausschnitte, starke Kontraste und raffinierte Belichtung auffallen.
Auf und hinter der Bühne
Dabei hatte Anno Wilms stets ein Feeling für Menschen, die als ethnische Minderheiten oder aus Armut gezwungen waren, ihr Leben an den Rändern der Gesellschaft zu fristen: Roma in Städten wie Istanbul, Clochards in Paris, Beduinen in Israel, Müllsammler in Kairo und andere, die durch die herrschenden Umstände, manchmal aus eigenem Entschluss oder aufgrund von Stigmatisierung zu Außenseitern wurden. Besonders fasziniert war sie vom Theater, von Lindsay Kemp und seiner Company, den West-Berliner Travestie-Cabarets Chez Nous, Chez Romy Haag und Lützower Lampe, deren Schauspieler und Tänzer sie auf und hinter der Bühne aufgenommen hat. Ihre sensiblen Porträts sind ein Versuch, die faktische und angestrebte Identität an der Grenze zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Glamour und Groteske, Verhüllung und Enthüllung zu ergründen. Immer wieder fotografierte Anno Wilms auch Berlin, seine Architektur, sein Kunst- und Kulturleben, seine Straßen, Parks, Flohmärkte, Randbezirke sowie die vielen Ecken, die nur noch auf ihren Bildern überlebt haben.
Behutsame Porträts
Als Fotografin der übersehenen oder schillernden Minderheiten und unermüdliche Weltnomadin war Anno Wilms ihrer Zeit voraus, was vielleicht eine Erklärung dafür ist, warum ihr außergewöhnliches, bisher nur Fachleuten bekanntes Werk erst jetzt peu à peu in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. So wird die zu entdeckende Künstlerin mit einer Retrospektive in der Collection Regard bedacht, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung Anno Wilms zustande gekommen ist. Unter dem Titel Identität und Kontrast werden in Berlin-Mitte über 60 kleinformatige Fotografien aus den Jahren 1961-1987 gezeigt, die einen guten Einblick in die Technik, Sichtweise und thematischen Schwerpunkte ihrer Schöpferin ermöglichen. Auf den kontrastreichen Schwarz-Weiß-Abzügen gibt es fast keine Zwischentöne, doch zugleich scheinen die Rahmen der Spiegel und die Fensterscheiben (beide ein häufiges Motiv) silbern zu schimmern. Den von ihr fotografierten Menschen näherte sich Anno Wilms behutsam und mit großer Empathie, unabhängig davon, ob sie als Ausgegrenzte in den Metropolen Europas und der Welt lebten oder im Scheinwerferlicht auf kleinen und großen Bühnen standen. Ihre Porträts sind nie voyeuristisch, sie stellen das Individuum und seine Verletzlichkeit dar, die sich hinter keiner Maske, keiner Haarpracht, keinem Kopftuch, keinem Hut und keinem noch so dicken Makeup verbergen lässt. Die Welt ist eine Bühne, auf der das Stück über die menschliche Existenz aufgeführt wird: über ihre Kostüme, Größe und Blöße, Freude und Tristesse, Erfolg und Scheitern auf der Suche nach einem menschenwürdigen Sein.
Menschen wie sie sind
Die Ausstellung Identität und Kontrast ist eine gute Gelegenheit, einen ersten Einblick in das Werk einer Künstlerin zu gewinnen, die es verdient, endlich als unbestrittene Meisterin nicht nur der deutschen, sondern auch der internationalen Fotografie anerkannt zu werden. Der private Charakter der Collection Regard, die in einer Altbauwohnung in Berlin-Mitte ihren Sitz hat, lädt dazu ein, Anno Wilms´ Arbeiten in aller Ruhe auf sich wirken zu lassen. Die überschaubare und trotzdem repräsentative Auswahl aus den Werkserien Randgruppen (Roma; Rastafari; Zabalin, Kairo; Beduinen, Israel), Reisen, Experimente und Bühne ermöglicht eine konzentrierte Betrachtung ihrer schwarzweißen, nuancierten Bildwelten.
Ihre Affinität zu Robert Doisneau, Brassaï und vor allem zu Diane Arbus fällt ins Auge. Genauso wie die US-amerikanische Fotografin hatte sie ein Gespür für gesellschaftliche Veränderungen und zeigte das Vordringen der Randgruppen und Subkulturen in die Mitte der Gesellschaft. Zum anderen sind Anno Wilms´ von Humanität geprägten Fotografien ein bewegendes Dokument ihrer Zeit. Und sie tragen darüber hinaus eine zeitlose Botschaft in die heutige Welt, den Menschen aufgeschlossen, ohne Vorurteile, moralische oder religiöse Überlegenheit zu begegnen und ihre Einzigartigkeit zu respektieren. Das ist es, was die Kunst von Anno Wilms so aktuell und sehenswert, ja, so unvergänglich macht.
Anno Wilms
Identität und Kontrast
bis 19. Juni 2020
Kurator: Marc Barbey
Collection Regard
Steinstraße 12, 10119 Berlin
Eintritt frei
www.collectionregard.de
Auf der Website der Stiftung Anno Wilms gibt es eine umfangreiche Dokumentation des Gesamtwerks der Künstlerin:
stiftung-anno-wilms.com
Titel zum Thema Collection Regard :
Bühne der Existenz – Faszinierende Fotografien von Anno Wilms in der Collection Regard Berlin
verlängert bis zum 19.06 --> Ausstellungsbesprechung
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