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Berlin Daily 23.11.2024
Gespräch mit Nanne Meyer

19 Uhr: Künstlerin mit dem Schwerpunkt Zeichnung. Im Rahmen der Finissage zur Ausstellung "(Dis)ordering Things". oqbo | raum für bild wort ton | Brunnenstr. 63 | 13355 Berlin

„Havekost meets Austria“ im Österreichischen Kulturforum Berlin

von Anna Wegenschimmel (15.11.2017)
vorher Abb. „Havekost meets Austria“ im Österreichischen Kulturforum Berlin


„Havekost meets Austria“, Installationsansicht
Foto: Courtesy Österreichisches Kulturforum Berlin


Eberhard Havekost ist in Berlin kein Unbekannter. Erst Anfang dieses Jahres widmete beispielsweise das Neuköllner KINDL dem Künstler eine große Einzelschau. Der 1967 in Dresden geborene Maler arbeitet meist mit Bildvorlagen aus dem Internet, die er digital verändert und auf Leinwand transferiert. Die abgebildeten Gegenstände wie TV-Flatscreens, Häuserfassaden oder verlassene Landschaften werden dabei verzerrt, ausschnitthaft oder aus ungewöhnlichen Perspektiven wiedergegeben, um die Sehgewohnheiten der BetrachterInnen aus der Reserve zu locken und die Realität als etwas nicht Objektives zu behaupten. „Benutzeroberflächen“ nennt der Künstler seine Gemälde, die zwischen abstrakt und figürlich changieren und oft an die Malweise von Gerhard Richter oder an Farbfeldmalereien von Mark Rothko erinnern.
Am 13.9.17 eröffnete im Österreichischen Kulturforum Berlin die neue Schau „Havekost meets Austria“. Zwölf Ölgemälden von Havekost werden etwa 30 Werke von namhaften österreichischen Künstlern gegenübergestellt: Otto Muehl, Hermann Nitsch, Franz West, Arnulf Rainer und Heimo Zobernig finden sich genau so wie Gelitin, Christian Eisenberger oder Rita Nowak. Übergeordnetes Thema, auf Basis dessen die Werke ausgewählt wurden, lautet „Der unterschiedliche Blick auf Realität“. Verkürzt gesagt stehen die unzähligen Facetten zwischen abstrakter und gegenständlicher Malerei und damit die verschiedenen Realitätsebenen im Zentrum, die in Vergleichen zwischen Havekost und Werken des österreichischen Informel, des Wiener Aktionismus und zeitgenössischen österreichischen Positionen sichtbar werden.


„Havekost meets Austria“, Installationsansicht
Foto: Courtesy Österreichisches Kulturforum Berlin


Eine Schwierigkeit der Ausstellung ist, dass hier mehrere Künstler-Generationen unkommentiert gegenüberstellt bzw. Vertreter des Informel und des Wiener Aktionismus als „zeitgenössische Positionen“ ins Treffen geführt werden. Die absolute Auflösung der Malerei und die Befreiung der Farbe von dem Zwang, Gegenstände abbilden zu müssen, war im österreichischen Informel eine direkte Reaktion auf die Zäsur des Zweiten Weltkrieges. Den Künstlern des Wiener Aktionismus ging es in den 1960er- Jahren vor allem darum, im biederen Nachkriegs-Wien zu provozieren und gesellschaftliche Tabus zu brechen. Diese Künstler-Generation hat natürlich einen gänzlich anderen Hintergrund als Havekosts Hinterfragung von Realitätsstiftung in der Malerei seit dem Aufkommen des Internets in den 1990er-Jahren. Ist man sich dieser sozial-politischen Besonderheiten aber bewusst, lohnt es, sich auf die Unterschiede und vor allem Gemeinsamkeiten in sowohl formaler als auch inhaltlicher Hinsicht einzulassen.


Otto Muehl, „Ohne Titel (Portrait eines Mannes)“, 1981, Öl auf Leinwand, Courtesy Europäische Privatsammlung
Eberhard Havekost, „Auflösung, B08“, 2008, Öl auf Leinwand, Courtesy Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
Foto: Courtesy Österreichisches Kulturforum Berlin


Der Raum im dritten Obergeschoß des markanten österreichischen Botschaftsgebäudes in der Stauffenbergstraße, das 1999 von Hans Hollein entworfen wurde, stellt alles andere als einen klassischen White Cube dar: Stark verwinkelt und mit mehreren Schrägen versehen, ist er zwar schwer zu bespielen, andererseits aber offen für viele Blickachsen, die Kurator Sebastian C. Strenger überzeugend nutzt. So stellt er beispielsweise das abstrahierte Porträt eines Mannes von Otto Muehl einem Gemälde mit dem gleichen Sujet von Havekost gegenüber. Die Farbpalette und die Maltechnik unterscheiden sich gänzlich, das Thema der malerischen Auflösung und die Hinterfragung von Ähnlichkeit in einem Porträt gleichen sich aber. Weiter treffen das pastos gemalte Landschaftsbild von Havekost auf jenes von Herbert Brandl oder die Porträts von Lenin, Stalin und Trotzki von Otto Muehl auf ein fotorealistisches Gemälde von Havekost, das Fidel Castro zeigt.


Otto Muehl, „Stalin“, „Trotzki“, „Lenin“, 1985, Aquarell auf Papier, Courtesy Europäische Privatsammlung
Eberhard Havekost, „Glas, B10“, 2010, Öl auf Leinwand, Courtesy Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
Foto: Courtesy Österreichisches Kulturforum Berlin


„Havekost meets Austria“ ist eine Schau, die die Malerei feiert und jener oft aufgestellten Behauptung, die Malerei sei tot, ihr Gegenteil vor Augen hält. Die Bezüge zwischen Havekost und den österreichischen Künstlern wirken dabei manchmal etwas lose, meistens aber fruchtbar. Die ausgewählten Werke sind von hoher Qualität und repräsentieren das „Who is Who der österreichischen Gegenwartskunst“, wie Strenger es in seiner Führung durch die Ausstellung nennt. Wirklich schade ist nur, dass der Kurator in diesem Querschnitt durch Österreichs Nachkriegs-Kanon fast gänzlich auf die weiblichen Vertreterinnen verzichtet - einzige gezeigte Ausnahme ist Rita Nowak. Die Mitbegründerin des Informel Maria Lassnig war zwar angedacht, ihre Werke blieben aber im Zoll hängen. Neben Lassnig hätten sich aber auch leicht Bezugspunkte zu Havekosts Werken und Überlegungen zum Thema „Realität“ in den Œuvres von Valie EXPORT, Birgit Jürgenssen, Renate Bertlmann, Elke Krystufek, Xenia Hausner, Johanna Kandl oder anderen wichtigen Künstlerinnen finden lassen können. Carola Dertnig, um ein konkretes Beispiel zu nennen, übermalte Filmstreifen des Regisseurs Ernst Schmidt Jr. und übertrug sie auf großformatige Leinwände. Das wäre sowohl ein passender Bezug zu Arnulf Rainers Übermalungen als auch zu Havekosts Gemälde „Glas“ gewesen, in dem er mittels einer gemalten Lichtreflexion die Medienspezifik von Malerei und der vermeintlich realitätsstiftenden Fotografie hinterfragt. Ernst Schmidt Jr. war es übrigens auch, der mit der sogenannten „Uni-Ferkelei“ im Jahr 1968 die bekannteste Provokation der Wiener Aktionisten filmte.

Ausstellungsdauer: 13. 09. bis 17. 11. 2017

Öffnungszeiten der Galerie
Montag - Freitag von 14:00 - 16:00 Uhr oder nach Vereinbarung.
An österreichischen sowie deutschen Feiertagen ist die Galerie geschlossen.

Österreichisches
Kulturforum Berlin
Stauffenbergstraße 1
10785 Berlin
kulturforumberlin.at/

Anna Wegenschimmel

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