16 Uhr: im Rahmen der Ausstellung »Chaos & Ordnung«. Photocentrum × Kunstquartier Bethanien | Projektraum | Mariannenplatz 2 · 10997 Berlin
Fly Factory
Stainless-steel, fibre glass, electric light,
soil, plants, black soldier flies, larvae and
larvae paté, 170×150× 80cm, 2014
Courtesy the artist
„Insekten sind die Antwort“. So das Credo des Produktdesigners Búi A ðalsteinsson. Der Isländer sieht in der Aufzucht von Insekten eine Lösung, die Weltbevölkerung zu ernähren, zumal diese proteinhaltig und anspruchslos sind. Auch belastet ihre Aufzucht nicht die Umwelt. Auf der Biennale Momentum 9 in Moss, Norwegen, präsentiert ðalsteinsson derzeit seine 2014 entwickelte Fly Factory. Inge Pett von art-in-berlin traf Búi A ðalsteinsson in der Galleri F 14 zu einem Gespräch.
Inge Pett: Wie funktioniert die Fly Factory?
Búi A ðalsteinsson: Es handelt sich um eine transportable Farm, in der Larven der Black Soldier Fliege ausgebrütet werden. Sie besteht aus einem Aufzuchtbecken, in dem wir Insektenlarven mit Abfall füttern, während wir die Nährstoffe, die sie ausscheiden, nutzen. Die Larven produzieren einen Nährstoffboden, den wir in Kompostbehältern auffangen. Er eignet sich hervorragend, um Gewürze und Kräuter anzupflanzen.
Während ein Teil der Larven als Fliegen schlüpfen soll, um so den Kreislauf aufrechtzuerhalten, lässt sich ein Teil der Larven verarbeiten. Da diese proteinhaltig sind, eignen sich sie als Bestandteil von Speisen.
I.P.: Wozu dient der Kühlschrank in der Installation?
B A ð: Die Energie des Kühlschranks in der Installation dient dazu, die Larven in einen komatösen Zustand zu versetzen und so länger am Leben zu erhalten. Auf der Rückseite des Kühlschranks wiederum wird Hitze frei, so dass die Pflanzen ein gutes Klima erhalten. Auch lässt sich hier das fertige Essen aufbewahren.
Was mich interessiert, ist die Idee, wie Du etwas mehrfach nutzen kannst. Es geht mir immer um Aktion und Reaktion. Über das vielfältige Potential einer Errungenschaft sollten wir überhaupt öfters mal nachdenken...
I.P.: Wie sind Sie ausgerechnet auf Insekten gekommen?
B A ð: In meiner Ausbildung stand immer die Frage im Vordergrund: Was steckt man rein und was kommt raus? Es fiel mir schwer den Überblick zu behalten, wo Material herkommt. Wer behält es und wen betrifft es. So begann ich zu recherchieren, wie die Dinge funktionieren. Ich begann mit der Nahrungsindustrie in Island und wie wir dort unser Essen herstellen. So kam ich schließlich zu den Insekten und stellte fest, dass diese in der Natur wahre Recycling Stationen unterhalten. In der Nahrungsindustrie habe ich Dinge entdeckt, die weitaus ekelhafter sind als die Vorstellung vom angsteinflößenden Insekt, das andere verfolgt, wie wir es aus Horror und Science Fiction-Filmen kennen.
An Insekten hingegen ist nichts ekelhaft, im Gegenteil: Wenn man sie richtig einsetzt, reduzieren sie Gerüche und den Treibhauseffekt des Abfalls. In rasantem Tempo säubern Insekten unser Umfeld. Leider haben wir stattdessen das einseitige Bild im Kopf, dass sie schmutzig sind und Krankheiten übertragen.
I.P.: Wie reagieren die Leute auf die Larvenlasagne in der Vitrine?
B A ð: Das ist sehr unterschiedlich. Etwa die Hälfte der Besucher ist positiv eingestellt, die andere Hälfte kann sich nicht überwinden, Larvenlasagne zu probieren. Auch bietet die Momentum 9 Insekten-Riegel als Snacks an, an denen sich die Geister scheiden.
I.P.: Wie erklären Sie sich die Aversion und die Skepsis vieler Menschen?
B A ð: In westlichen Ländern ist es – anders als etwa in Asien – unüblich, Würmer, Heuschrecken und andere Insekten zu verspeisen. Es ist kulturell nicht bei uns verankert, während Garnelen, Schnecken und Muscheln als Delikatesse gelten.
I.P.: Lässt sich die mentale Grenze überschreiten?
B A ð: Ja, ich denke, das ist möglich. Es hat eine Menge mit dem Unterschied zu tun, ob man rational oder hungrig ist. Wenn du jemanden einlädst und ihm ein Gericht mit Insekten anbietest, das gut aussieht und auch so riecht, werden die Leute es essen. Und diejenigen, die Hunger haben, werden gar nicht erst fragen, was ihnen da vorgesetzt wird.
I.P.: Wer könnte eine Fly Factory nutzen?
B A ð: Gerade Restaurants und Cafeterien bieten sich an, da in der Gastronomie viel organischer Abfall anfällt. Die Fliegenfabrik kann ich mir übrigens ebenso gut in einer skandinavischen Küche der Zukunft vorstellen wie in einer Raumkapsel auf Weltraumtour.
I.P.: Was möchten Sie mit dieser Erfindung bewirken?
B A ð: Mein Ziel ist es lediglich, dass sich Leute die Frage stellen: Würde ich Insekten essen? Wichtig ist, dass die Leute darüber nachdenken, ob sie wirklich global etwas ändern möchten. Insekten sind der Schlüssel.
Und hier unsere Ausstellungs-Besprechung zur Biennale Momentum 9 unter dem Titel "Alien-Nation: Momentum 9 in Moss sieht im Fremden eine Chance".
THE 9TH NORDIC BIENNIAL OF CONTEMPORARY ART
JUNE 17 – OCTOBER 11, 2017
MOSS, NORWAY
MAIN VENUES: GALLERI F 15 AND MOMENTUM KUNSTHALL
SIDE VENUES: VANNVERKET, SF KONO MOSS, HOUSE OF FOUNDATION,
PARKTEATERET, MOSS KIRKE, NATURHUSET
www.momentum9.no/
Titel zum Thema momentum9:
Larvenlasagne: "Insekten sind die Zukunft"
Ein Interview von der Biennale Momentum 9 in Moss / Norwegen mit dem isländischen Produktdesigner und Psychologen Búi A ðalsteinsson. ...
Stranger than Fiction – Monumentum 9: alienation präsentiert Programm in Berlin
Besprechung: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better“. Dieses Zitat des irischen Schriftstellers Samuel Beckett sei zugleich das Motto der Momentum 9: (alienanion) erklärt Dag Aak Sveinar.
Haus am Kleistpark
Schloss Biesdorf
Galerie Alte Schule im Kulturzentrum Adlershof
Galerie im Körnerpark
Verein Berliner Künstler