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100 Jahre Ready-Made im historischen Haus Huth

von Barbara Borek (13.05.2017)
vorher Abb. 100 Jahre Ready-Made im historischen Haus Huth

Olivier Mosset, Leonhard Schmidt, Daniel Buren, Hermann Glöckner, Andreas Brandt, Elaine Sturtevant, Donald Judd u.a., Courtesy Daimler Contemporary Berlin

Die Daimler Art Collection am Potsdamer Platz lädt über die Jahreswende ein, die vor 100 Jahren entwickelte Idee des Ready-Made neu zu entdecken. 130 Werke aus der Sammlung wählte die walisische Künstlerin Bethan Huws aus und arrangierte Klassiker in einer ganz eigenen Zusammenstellung und Hängung.

Im Januar 1916 formulierte Marcel Duchamps erstmals schriftlich sein Konzept, ´gebrauchsfertige` Alltagsobjekte durch die von ihm getroffene Auswahl und Signierung als Kunstwerke zu deklarieren. Doch bereits 1913 entstanden die ersten Objekte. Seine sogenannten Ready-Mades markierten einen radikalen Bruch mit der bis dahin geltenden Vorstellung vom künstlerischen Schaffensprozess, und sie bedingten durch ihre fehlenden, die Kunst bestimmenden Eigenschaften, die Aufhebung von Einzigartigkeit sowie Echtheit als den grundsätzlichen Bedingungen des traditionellen Kunstwerks. „Das Ready-made definiert den Realitätscharakter und die Abbildfunktion des Kunstwerkes neu und rückt die Rolle des Betrachters ins Zentrum“, so die Leiterin der Daimler Art Collection, Dr. Renate Wiehager. Wie eine dreidimensionale Collage zieht sich Bethan Huws Auswahl durch die Ausstellungsräume im historischen Haus Huth: Gemälde, Objekte, Möbelstücke verdichten sich in Werkgruppen, verbinden sich zu Blickachsen.

So kombiniert Huws eine Winterlandschaft von Leonhardt Schmidt (1932, Öl/Holz) und die Lithografie Apoll II von Willi Baumeister (1921/22) mit dem minimalistischen Bild Untitled von Oliver Mosset (1974, Acryl/Leinwand), vier Gemälden von Daniel Buren (1989, Zu Unterstreichen, Leinwand/Öl) sowie Jan Henderikses Zero (2010, Neon, Holz). Vor diese Wandarbeiten in Schwarz und Weiß hat die Kuratorin zwei Papierkörbe des Designers Konstantin Grcic (1995, Maxi Square, grey, black, Polypropylen) gestellt, was Duchamps Zweifel an der Sinn- und Identitätszuweisung von Kunst in Erinnerung ruft. In diesem Sinne hebt Bethan Huws „kunsthistorische Schemata auf“, sie „malt“ mit den Kunstwerken und ihren „sprachlichen Kommentaren“ ein neues, ein eigenes Werk.

Bethan Huws, 1961 in Wales geboren, lebt und arbeitet heute in Berlin. Ihre künstlerischen Auseinandersetzungen, so arbeitet sie seit knapp 20 Jahren mit sogenannten Wort-Vitrinen, beziehen vor allem das Werk Marcel Duchamps mit ein. Worte, Sprache und Texte sind wichtige Komponenten ihrer konzeptuellen Arbeit. In dem Künstlerbuch zur Ausstellung, erschienen im Walther König Verlag und leider nicht in der Ausstellung zu erhalten, verbindet die Künstlerin ebenfalls collagenartig ihre Notizen und Zitate von Duchamps auf Sprach- und Bedeutungsebenen. Dynamisch, spielerisch und als Kommentare zu lesen, immer mit der Option, der Aufforderung an die Betrachtenden, selbst ins Bild und ins Wort zu kommen.

Auch die Räume der Daimler Collection werden in das Ausstellungskonzept einbezogen: Unter einer Eingangstür aus Bronze (1911/12) liegt - wie zufällig - der Türstopper von Sarah Browne (2010, rostfreier Stahl) und lässt schmunzelnd an Duchamps Ready-Made "Trébuchet" (1917, Stolperfalle) - ein in seinem Atelier auf dem Boden festgenageltes Kleiderhakengestell - denken.


Heimo Zobernig, Donald Judd, Andy Warhol, Courtesy Daimler Contemporary Berlin

Das Konzept ermöglicht eine Wiederentdeckung der Arbeiten der Sammlung, aber auch ein erneutes Nachdenken über Duchamp. Die ruhige und klare Neuhängung in den Räumen der Daimler Collection hoch über dem quirligen Potsdamer Platz lässt Raum für das Sich-einlassen, für das Eintauchen in Bild- und Wortwelten.

So führt die Wand mit Arbeiten von Kiyoshi Skamoto (Swimming Lessons, Japan, ca. 1927; C-Print, 2010) neben den Lèvres et glace à main (1927, Ol/Holz) und Willi Baumeisters Ruhe und Bewegung II (1948, Öl/Faserplatte) in blaue Farbwelten, ergänzt um vier Fotografien von Isabell Heimerdinger (2005, Thomas – aufgeregt, gut gelaunt, zögernd, melancholisch, C-print) sowie einem, ebenfalls blauen, Objekt von Donald Judd (1985/2002, Table No 10, RAL 5002).

Alle Werke sind ohne begleitende Schilder gehängt und gestellt, ein kleiner Katalog, der kostenfrei am Eingang bereit liegt, liefert Informationen, auch zu den Künstler_innen. Keine Einordnungen oder enge Werkgruppen lenken die Seh- und Denkmöglichkeiten in über die Jahrzehnte entstandene, verabredete, traditionierte Muster. Auge und Kopf können sich frei bewegen, offen sein für Neues.

Informationen zum begleitenden Rahmenprogramm - Führungen sowie ein Symposium im April 2017 – sind auf der Website zu finden.

On the Subject of the Ready-Made
Or Using a Rembrandt as an Ironing Board
Arbeiten aus der Daimler Art Collection ausgewählt von Bethan Huws anlässlich 100 Jahre Ready-made
Mit Leihgaben aus dem Duchamp Archiv der Staatsgalerie Stuttgart

bis 14. Mai 2017

Daimler Contemporary Berlin
Haus Huth
Alte Potsdamer Straße 5
10785 Berlin
täglich 11 – 18 Uhr
Öffnungszeiten über die Feiertage:
24.–26.12.16 geschlossen, 31.12.16 11-15 Uhr, 01.01.17 15-18 Uhr
http://art.daimler.com/

Barbara Borek

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