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Holt euch die Kunst zurück! - Nicole Zepter. Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe

von Dr. Barbara Borek (24.05.2014)
vorher Abb. Holt euch die Kunst zurück! - Nicole Zepter. Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe

Nicole Zepter ist enttäuscht: von den Künstlern und ihren Werken, von den Museen und ihren Ausstellungen, von den Galeristen und auch vom Publikum. Ihr Essay "Kunst hassen", 2013 erschienen und bereits in der 6. Auflage, spricht eine längst überfällige Frage an: Wer entscheidet heute eigentlich, was (gute) Kunst ist?

Bei der von dem Journalisten und Autor Ralph Geisenhanslüke moderierten Diskussion im Haus am Lützowplatz traf die Autorin auf Dr. Marc Wellmann, der als Geschäftsführer und künstlerischer Leiter das Haus seit einem Jahr leitet. Dieser begrüßte die Runde und das zahlreiche Publikum mit den beschwörenden Worten, dass, wer bei diesem sommerlichen Wetter eine Diskussion über Kunst dem Biergarten vorziehe, Kunst doch nicht hassen könne. "Wir lieben die Kunst!" Doch Nicole Zepter ist unerbittlich.

Sicherlich, so die Autorin, die aktuell als Chefredakteurin des Magazins The Germans arbeitet: Nur wer die Kunst liebe, könne sie auch hassen. Doch diese Liebe würde auf eine harte Probe gestellt. Nicht nur enttäuscht sei die Kunsthistorikerin, sie ist regelrecht genervt und wütend. Daraus macht sie kein Hehl, im Gegenteil, sie führt die Leser in ihrem Buch über gut 130 Seiten teils plaudernd, teils polemisch, durch den überfrachteten und verbogenen Kunstbetrieb.

Auf der einen Seite habe dieses "soziale Getriebe mit all seinen Akteuren", einen hohen Freizeitwert bekommen. Nicht die Auseinandersetzung mit einem Thema, einer künstlerischen Position sei wichtig, Vernissagen, Galerienrundgänge und Ausstellungen hätten heute vor allem einen Eventcharakter. Kunstliebhaber, Familien und Touristen – sie alle schieben sich über die Museumsinsel oder durch die coolen Hinterhöfe. Folgsam nickend und brav murmelnd, wie "wahnsinnig spannend und herausragend" dies alles doch sei. Auch wenn sie nichts verstünden und vieles gar nicht herausragend, sondern schlicht und ergreifend schlecht fänden. Sie fühlten sich nicht kompetent genug, die Kunst zu beurteilen.

Andererseits habe sich eine Arena der Superlativen entwickelt, in der einige wenige, international agierende Personen den Kunstmarkt beherrschten: Künstler, Galeristen, Sammler. Dieser kleine Kreis bestimme letztendlich, was zum Hype wird und wer die absurd teuren Künstler in diesem Jahr sein werden, deren Werke für Millionen den Besitzer wechseln. Die anderen Arbeiten, so Zepters Vermutung, verschwänden in den Lagern, um die hohen Preise zu halten.

Auf den Einspruch von Geisenhanslüke, alle Zahlen würden doch für den Kunstbetrieb als Erfolgsmodell sprechen, antwortete die Autorin, dies sei nicht unbedingt ein Widerspruch. Kunst stehe auf dem Bildungsplan weit oben und wen sie nicht anspreche, der gehe eher davon aus, dass er oder sie selbst „dumm“ sei - und nicht das Kunstwerk oder die Präsentation. Zepter würden jedoch die meisten Ausstellungskonzeptionen langweilen und frustrieren, sie habe ihre Erwartungen sehr heruntergefahren. Mit Erfolg, wie Wellmann herausstellte, denn nun sei sie "ja selbst eine Instanz geworden". ARTE bereitet gerade ein vierteiliges Projekt vor, in dem Zepter als Gastgeberin durch die Kunstwelt ziehen wird.

Die Autorin scheint also wirklich einen Nerv getroffen zu haben, die Frage ist nur, welchen? Ist es nicht ein Widerspruch, wenn Zepter beispielsweise einerseits die schullehrerhaften Texte in den Museen oder die sprechblasen-hohlen Interpretationen in der Konzeptkunst kritisiert, andererseits selber Zitate in ihrem Buch auf englisch einbaut, ohne Übersetzungen oder Anmerkungen. Auch hier können die Leser nicht auf Augenhöhe agieren, eine Forderung, die Zepter an den Kunstbetrieb stellt. Ist die Autorin vielleicht doch nicht so auf Abstand und mehr involviert, als es ihr lieb ist?

"Die Voraussetzung für die Hierarchie zwischen Museum und Besucher ist die Ahnungslosigkeit der Besucher. Sie werden entmündigt“, so die Autorin. "Ich möchte Mut machen, den eigenen Augen und der eigenen Meinung wieder zu trauen." Doch kann sie auch Alternativen für den Umgang mit der Kunst anbieten? Auf die Zuschauerfrage: Wer trägt denn nun die Schuld? antwortete Nicole Zepter: "Alle Beteiligten sind Teil des Spiels, oftmals wissen sie gar nicht mehr, was sie da tun." Sie würde sich wünschen, dass es nicht nur Superlativen gäbe. Der Erfolg sollte nachlassen, die Künstler und die Kunst mehr zur Ruhe kommen können, so wie auch die Besucherinnen und Besucher. Holt euch die Kunst zurück!
Distanz zu allem, was wir sehen, hören und lesen, könnte ein erster Schritt sein.

Nicole Zepter
Kunst hassen
Eine enttäuschte Liebe
Tropen Sachbuch 2013
6. Aufl. 2014, 139 Seiten, broschiert, Leinenüberzug
ISBN: 978-3-608-50307-4

Dr. Barbara Borek

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