Aus einem Fundus filmischen Archivmaterials des Künstlers Hélio Oiticica (1937-1980), der zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts in Brasilien zählt, hat sein Neffe - Cesar Filho Oiticica – einen Dokumentarfilm zusammengestellt. “Hélio Oiticica” - so der Titel - kommt ohne Kommentare aus, lediglich die Erzählstimme des Künstlers begleitet die Montage der Originalaufnahmen.
Was zunächst fragmentarisch wirkt, fügt sich im Laufe des Films wie ein Puzzle zusammen und entfaltet eine gewisse Sogwirkung: Szenen aus den brasilianischen Favelas, Bilder vom Karneval, von tanzenden Kindern und dazwischen immer wieder Hélio Oiticica und seine Kunst. Besonders die (manchmal schwer zu verstehende) Erzählstimme des Künstlers und, nicht zu vergessen, die brasilianische und amerikanische Rock-, Pop- und Volksmusik verleihen dem Film eine dichte, authentische Atmosphäre.
Man erfährt viel über das Leben dieses ungewöhnlichen Künstlers und vor allem viel über seine künstlerische Entwicklung. Oiticica erzählt von seinen Reisen und den damit verbundenen Inspirationen und er berichtet über seine unterschiedlichen künstlerischen Phasen, die durch den Film gleichsam als chronologischer Leitfaden führen. Die Filmbilder sind schnell und rhythmisch aneinandergereiht und scheinen fast einen Widerspruch zu Oiticicas eigenen Filmexperimenten aus den 1970er Jahren zu sein, in denen er Wert auf den Verzicht von Montage und Schnitt legte: „Schnitt ist für mich eine veraltete Technik, die mich nicht interessiert“ wie er sagte.
Der Dokumentarfilm lässt aber gerade durch die Montage Platz für das Entstehen komplexer Zusammenhänge von Kunst und Leben. So führt der Weg von Oiticicas frühen konstruktivistisch anmutenden Gouachen und Papierarbeiten über die abstrakt geometrischen Objekte bis hin zu den begehbaren, labyrinthartigen Raumgebilden, den so genannten „Penetráveis“. Daneben markieren die „Parangolés “, eine Art Kostüme aus buntem voluminösem Stoff, eine weitere wichtige Entwicklungsstufe in seinem Werk. Die “Parangolés” sind untrennbar mit Tanz verbunden, was u.a. auf Oiticicas eigene Erfahrungen als Tänzer zurückgeht. Körper und Werk verschmelzen in der Bewegung zu einer Einheit. Kontinuierlich rückt der Betrachter als Rezipient und Mitgestalter der Werke ins Zentrum. Oiticicas Kunst will erlebt werden und sie soll etwas bewirken. Dabei ist seine spezifische künstlerische Ausdrucksweise eng verwoben mit seiner politischen Haltung - beispielsweise in der „Tropicalia“ Installation - einer Art Environment -, das 1966/7 im Museum of Modern Art, Rio de Janeiro ausgestellt wurde. Daraus entstand die von dem Künstler mitbegründete politisch-kulturelle Bewegung „Tropicalismo”, die einerseits eine Suche nach einer eigenen musikalischen Richtung war und andererseits als Reaktion auf den Militärputsch zu verstehen ist.
Das vielschichtige Porträt lässt dem Zuschauer Zeit, in das Leben Oiticica einzutauchen und seine Kunst - wenigstens visuell - zu erleben. Die Aufnahmen, die auch Privates beleuchten und seine Drogenerfahrungen nicht aussparen, betten Hélio Oiticicas Leben in sein künstlerisches Schaffen. „Der Idealzustand bedeutet im eigenen Werk zu wohnen“, propagierte der Künstler.
Der Dokumentarfilm wurde auf der diesjährigen Berlinale mit dem Preis der FIPRESCI Jury sowie dem Caligari Preis ausgezeichnet. Er startet am 03. Oktober in den Kinos.
heliooiticica.org
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Im eigenen Werk wohnen ...
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