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Egbert Baqué Contemporary Art

"It isn't only Pop (but I like it)"

Walter Bortolossi


Spin Doctor der Weltgeschichte: Walter Bortolossi

Weise Männer haben die Geschichte der Erde als Tragödie gesehen, als Farce, oder sogar das Ganze als einen illusionistischen Trick. Alle aber, sofern sie wirklich weise sind und nicht einfach intellektuelle Betrüger, erkennen an, dass unsere Welt eine Art Bühne ist, auf der wir alle eine Rolle spielen. Die allermeisten von uns sind jedoch schlecht vorbereitet and haben, bevor sich der Vorhang hebt, niemals an Proben teilgenommen. Ist es deshalb zuviel verlangt, wenn ich frage, ob wir uns, zumindest vorläufig, darauf einigen können, sie als einen Zirkus zu betrachten, einen tourenden Karneval, der die Sonne bereits seit einer Rekordsaison von vier Milliarden Jahren umkreist und dabei immer neue Monster und Wunder, Schwindel und blutige Missgeschicke produziert, die Kundschaft aber niemals gut genug bei Laune hält, um sie vom Verlassen abzuhalten, so dass einer nach dem anderen nach Hause zurückkehrt, für einen langen, langweiligen Winterschlaf unter dem Staub? Sagen wir also, dass ich, zumindest für eine Weile, eine Identität als Ringmeister gefunden habe. Diese Krone sitzt jedoch nicht leicht auf meinem Kopf (sollte ich einen Kopf haben); und ich muss euch warnen: Die Theatertruppe ist in Anbetracht der Größe eines solchen Universums klein, und viele von uns müssen zweifach oder dreifach auftreten, so dass ihr mich in vielen anderen Verkleidungen wiederfinden werdet.

Robert Shea und Robert Anton Wilson, Illuminatus! - Trilogie

So wie die Autoren der berühmt-berüchtigten Illuminatus!-Trilogie hat auch Walter Bortolossi die Berufung seines Lebens darin gefunden, ein Spin Doctor der Geschichte zu sein und als Ringmeister im Weltzirkus der niemals endenden Absurditäten zu stehen. Walter Bortolossi ist natürlich ein Maler und deshalb sind sowohl die jetzigen wie die vergangenen Welten, denen er vorsteht, von rein imaginärer Natur, konstruiert, wie sie nun einmal sind, aus verschiedenen Realitäten. Seine Kompositionen, in denen es nur so wimmelt von außer Kontrolle geratenen Wissenschaftlern, sexgierigen Xanthippen, kriegführenden Softwaremagnaten, hinterlistigen Potentaten, machttrunkenen Politikern und zotigen Filmstars sind fest in künstliche Landschaften aus unkontrolliertem urbanem Wildwuchs, New Wave, allgegenwärtigen Markennamen sowie psychedelisch-optischen Verzerrungen eingebunden. Bortolossis überschwängliche Werke geben all diese obskuren Erzählstränge in dichtgepackten, figurativen Leinwänden wieder, in denen es vor dem Horror vacui kein Entrinnen zu geben scheint.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Anfänge des Künstlers in jenen eigentümlichen Comic Strips liegen, die er bereits als Kind anfing zu zeichnen, als er versuchte, seine ureigene Fantasiewelt in Bilder zu fassen. Aus dieser Erfahrung heraus hat er Erzählungen erschaffen, die weitgefächerte Themenbereiche abdecken, von post-apokalyptisch angehauchten Ereignissen der Medienwelt bis hin zu den Mysterien einer sowohl zeitlich wie auch räumlich weit entrückten Vergangenheit. Walter Bortolossi besteht darauf, dass seine Kunst unumstößlich der Gegenwart mit allen ihren Phobien zugewandt ist, dass es jedoch ebenso dumm wäre, die Vergangenheit zu verleugnen. Er versteht es, dieses absichtliche Hin und Her zwischen geographischen und chronologischen Grenzlinien zu nutzen, um daraus historische Figuren und Zusammenhänge in originellen und oftmals überraschenden Erzählungen neu zusammenzusetzen. In den letzten Jahren hat ihn auf diese Weise sein Interesse an Gegenkulturen weg von der Bloßstellung des wissenschaftlichen und technologischen Wahrheitstraumes und hin zu raffinierten visuellen Streichen über die Filmindustrie und den Opportunismus der globalisierten Weltwirtschaft geführt.

Das Thema seiner jüngsten Werkphase It isn’t only Pop (but I like it) ist dabei typisch für seine ironischen Understatements. In der Tat sind die Gemälde mehr als nur Pop Art Statements, da sie sich mit den Pathologien der modernen und postmodernen Zeitalter beschäftigen. Weder inhaltlich noch stilistisch stehen Walter Bortolossis Leinwände in der Tradition der absichtlichen Oberflächlichkeit und unkritischen Direktheit etwa eines Andy Warhol. Wenn überhaupt kann man seine Werke am ehesten mit solchen der kalifornischen Pop-Surrealism-Bewegung vergleichen, zum Beispiel mit Werken, die seit den 1990-er Jahren von Künstlern wie Robert Williams, Mark Ryden, SHAG, Anthony Ausgang, Todd Schorr oder The Pizz geschaffen wurden. Im europäischen Kontext bietet sich vielleicht der Vergleich mit den unverwechselbaren Bildwelten des jüngst verstorbenen Jörg Immendorff an. Am Ende jedoch ist Bortolossis Ikonographie einem ausufernden Eklektizismus zugeneigt, der ihn als einen wirklich postmodernen Maler erkennen lässt.

Walter Bortolossi ist ein Maler, der in der europäischen Tradition des Künstler-Intellektuellen steht, eine Tatsache, die sich angesichts seiner anspruchsvollen Inhalte kaum verbergen lässt. Als ich ihn einmal in einem Interview fragte, was er über Macht und Machtbeziehungen (etwa in der Politik, der Ökonomie etc.) denke, soweit sie denn seine Kunst beträfen, antwortete er, dass "wir keine wirkliche Macht haben, andere davon abzuhalten, Macht über uns auszuüben. Wirkliche Macht liegt nur in den Volkswirtschaften. Politiker müssen Lösungen für die wirklichen Probleme dieser Welt finden, während ich den Luxus genießen kann, mit meinem Sujet zu spielen. Kennst du die Saturnalien im alten Rom? Während dieser Darbietungen wurden Sklaven zu Sklavenhaltern und umgekehrt. Meine Gemälde sind Saturnalien."

Sein epochales Buch Die Transparenz des Bösen eröffnete Jean Baudrillard 1990 mit der rhetorischen Frage "Wohin gehen wir nach dem Ende der Party?", wobei mit dem Begriff "nach der Party" die Mentalität der Postmoderne und ihre Befreiung von positivistischen Illusionen und Utopien gemeint ist. Walter Bortolossis Antwort auf diese Frage würde wohl, stelle ich mir vor, ungefähr so ausfallen: "Ja, wir haben schon seit langem unseren teleologischen Kompass verloren, die Party aber muss weitergehen, und ich werde die Ereignisse aufzeichnen."

Darius A. Spieth
Professor für Kunstgeschichte
Louisiana State University
Baton Rouge, Louisiana (USA)

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