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Berlin Daily 23.11.2024
Gespräch mit Nanne Meyer

19 Uhr: Künstlerin mit dem Schwerpunkt Zeichnung. Im Rahmen der Finissage zur Ausstellung "(Dis)ordering Things". oqbo | raum für bild wort ton | Brunnenstr. 63 | 13355 Berlin

Kleine Humboldt Galerie: Für die Beförderung musste ich töten, also nicht wirklich ;)

von Maximilian Wahlich (29.07.2022)
vorher Abb. Kleine Humboldt Galerie: Für die Beförderung musste ich töten, also nicht wirklich ;)

Ausstellungsansicht: I AM ELEVATING IN ALL WAYS, Elevation II, Office, Anna Witt „Körper in Arbeit“ (2018), © Patrick Mahr

Die Kleine Humboldt Galerie wird von einem offenen Kollektiv aus etwa 25 Studierenden betrieben. Titel der diesjährigen Ausstellungsreihe ist „I AM ELEVATING IN ALL WAYS“ (dt. Ich erhöhe mich in jeder Hinsicht). Zu sehen im Lichthof Ost in der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ein moderner Bürokomplex ist heutzutage mehr als eine Summe einzelner Teppichböden, Computer und Kopierer. Er verspricht, Campus zu sein, ein Ort mit Lebensqualität, ein Kreativlabor für das obere Management. Inmitten dieses seriös-sterilen Ambientes lässt Anna Witt in ihrer Videoarbeit „Körper in Arbeit“ (2018) junge Athleten turnen – trainiert und haarlos sind sie Ebenbild von Selbstoptimierung und Disziplin. Schließlich entstehen diese Muskeln nicht am Kopierer.
In Zeiten, wo Unternehmen mit Fitnessstudio-Abonnements werben, stehen solche Körper längst nicht mehr in Kontrast zum „Bürohengst“, einem müden Leib, der sackartig im Stuhl hängt. Dieser Typus scheint längst verrentet, zumindest imaginiert das die Werbung.
Die jungen Athleten testen die räumlichen Möglichkeiten aus. Sie strahlen jugendfrisch inmitten verglaster Raumtrenner, nüchterner Konferenzräume sowie fiepsenden Lesegeräten am Einlass und fragen: Bringt ihr Balanceakt den Stuhl zum Kippen? Lässt sich der Türbalken für Klimmzüge nutzen? Ein Kräftemessen mit dem Raum, ein Austarieren mit sich selbst und eine Wette gegen das eigene Schwergewicht. Diese Muskeln zeugen von Fitness, steter Bereitschaft, ohne müde zu werden.
Das Video hinterlässt eine bittere Note. Selbstoptimierung für den Kapitalismus erscheint als Geschwür sämtliche Lebensbereiche erfasst zu haben. Ob verkappt als Gleitzeit, Remote oder in kühler Rationalisierung, der Tatbestand ist unverkennbar: Arbeit ist Gewalt. In dem Video überlagern sich verschiedene Sequenzen und lapidar schneiden sie dabei in das Bildfeld. So wird der Kopf einer Person schnell vom darüber gelegten Filmausschnitt durchtrennt. Bei vergangenen Aufführungen war dieser Effekt anders, da die Videoarbeit sonst auf fünf Bildschirmen verteilt war. Eigens für diese Ausstellung wurde das Video zusammengeschnitten und auf eine Bildfläche komprimiert.


Pia vom Ende: Nur die Harten kommen in den Garten (2021)

Den Gipfel dieser Realität porträtiert Pia vom Ende mit „Nur die Harten kommen in den Garten“ (2020 – 21). Neben einer Pflanze können die Besuchenden von einem niedrigen Bürostuhl aus in die Virtual Reality eintauchen. Dort geht es heftig zu, denn: Erfolg muss erkämpft sein! Mord und Totschlag sind Metapher eines unerbittlichen Konkurrenzkampfes, einer dystopischen Wirklichkeit, wo jeder Gewinn oder Erfolg eine endliche Ressource anknappst und die Redewendung des/der „Schreibtischtäters*in“ neu aufgelegt wird. Diese Arbeiten fügen sich nahtlos in das übergeordnete Ausstellungskonzept der Kleinen Humboldt Galerie. Zu sehen ist aktuell der zweite Teil der dreiteiligen Ausstellungsreihe „I AM ELEVATING IN ALL WAYS“, der sich dem „Office“ widmet. Nun fehlt es leider genau solchen Ausstellungsorten meistens an nötigen Mitteln, um der eigenen Ausbeutung, selbst auch nichts anderes als ein (klassistischer) Optimierungstrick, zu entkommen.

Einen Ausweg aus dem Dilemma des anwachsenden Kapitalismus zeigt Alicja Rogalska in ihrer Arbeit „(Im)personal Development“ (2015). Sie bildet gewissermaßen den anderen Pol der Ausstellung. Wir beobachten einen Workshop, den Rogalska mit erwerbslosen oder prekär beschäftigen Frauen gemacht hat. Die Frauen verteilen Post-Up-Zettel, schütteln ihre Füße aus und schreiben mit dickem Edding auf eine Wand. Sie scheinen entspannt und zu sich zu finden. Hierbei geht es um Empowerment und einer kritischen Reflexion mit Selbstoptimierung, der Arbeitsmoral und der Arbeitsstätte.


Ausstellungsansicht: I AM ELEVATING IN ALL WAYS, Elevation II, Office, Alicja Rogalska „(Im)personal Development“ (2015), © Patrick Mahr

Trotz eines fashionablen Google-Campus und dgl. sehen die meisten Arbeitsplätze jedoch nach wie vor eher fahl aus. Jedenfalls rollen durch die wenigsten Gewerbeflächen weiche Filzbälle, und mindestens ebenso selten sind kleine abgedunkelte Nischen für den Mittags-Napp. In der tristen Realität steht neben der brodelnden Kaffeemaschine der Entkalker (für die Maschine) und die rar verteilten „Büropflanzen“ verkümmern kläglich. Bürostühle sind ergonomisch, weil die Angestellten bereits kaum mehr laufen können und der Boden dünstet Reinigungsmittel aus. Das Ausstellungssetting zitiert Elemente, gleichwohl die Pflanzen hier noch in bester Verfassung sind.
Mats Andersen gibt dieser Realität eine eigene Bühne. Auf einem Teppich steht ein handelsüblicher Bürotisch mit weißer Tischoberfläche; darauf dann Büroequipment und zwei Computerbildschirme. Sie zeigen den Film „Deadline“ (2022), der Andersens Internetsuche nach einer passenden Typografie für ein Unternehmen dokumentiert. Andersen surft sich durch zahllose Seiten, holt sich Inspiration und bearbeitet die Schriften dann über InDesign weiter. Neben der Frage, wie Schrifttypen eine Ideologie repräsentieren können, scheint Andersen mit einiger Ironie an sein Start-up zu gehen. Und so entwischt schließlich auch er dem Logos Selbstoptimierung. Ohne ernst gemeinten Wachstumsdrang wird sie sinnlos und scheint ihre Gefahr eingebüßt zu haben.

Künstler*innen der 2. Etappe Büro: Anna Witt, Pia vom Ende, Mats Andersen, Alicja Rogalska und Łukasz Surowiec

I AM ELEVATING IN ALL WAYS
13.07. – 12.08.2022
Elevation II: 25.07. – 01.08.
Elevation III: 04.08. – 12.08.

Kleine Humboldt Galerie
Lichthof Ost in der Humboldt-Universität Hauptgebäude
Unter den Linden 6
10117 Berlin
Geöffnet Mo – Sa, 12 – 20 Uhr


Maximilian Wahlich

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Körper sind überall. Blick in eine Ausstellung der Kleinen Humboldt Galerie.
Ausstellungsbesprechung: Die sehr empfehlenswerte Ausstellung „zwischen körpern“ ist in der ehemaligen Tierarzneischule zu sehen, heute befindet sich hier das Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik.

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