19 Uhr: Künstlerin mit dem Schwerpunkt Zeichnung. Im Rahmen der Finissage zur Ausstellung "(Dis)ordering Things". oqbo | raum für bild wort ton | Brunnenstr. 63 | 13355 Berlin
Angelika Platen hat so gut wie alle fotografiert, die in den 1960er und 70er Jahren weitgehend unbekannt waren und heute auf dem internationalen Parkett der Kunstmärkte zu Höchstpreisen gehandelt werden. Beuys, Buren und Baselitz, Rainer, Rinke und Richter, Serra, Moore oder Warhol, um nur einige wenige zu nennen, deren Portraits Angelika Platen in ihrem immensen Archiv beheimatet. Dieses umfasst Aufnahmen von Künstlern und Künstlerinnen bis in die Gegenwart und ist noch längst nicht abgeschlossen.
Schon früh entwickelte die Fotografin ihren eigenen Stil, ihre ganz eigene Methode - wie sie in unserem Gespräch ausführt. Ohne großes Equipment oder aufwendige Aufbauten und grundsätzlich ohne künstliches Licht arbeite sie.
Fast spontan wirken die aus der Hand fotografierten Bilder. Dabei sind es nur scheinbar einfache Fragen, die sie in und mit ihren Bildern verfolgt: Was ist das für ein Mensch? Wie sieht er hinter, vor und neben seinem Werk aus? Eine Aufnahme ist für Angelika Platen dann geglückt, wenn es darin eine Öffnung gibt, die mehr erahnen lässt als das unmittelbar Sichtbare, wenn eine Eigenart aufscheint, ohne eine Bloßstellung zu sein.
Vor Kurzem ist die unermüdliche Lichtbildnerin 80 Jahre alt geworden. Anlass für die Ausstellung ANGELIKA PLATEN in der Galerie Haas. Doch, „nur Platen Fotos zeigen“ erklärt die gleichermaßen diskret wie bescheiden wirkende Chronistin weiter, „das kann auch schnell langweilig werden.“ So kam es zu einer äußerst ungewöhnlichen Idee. In den Räumen des sogenannten Kunst Lager Haas - einer der schönsten privaten Ausstellungslokalitäten der Stadt - können derzeit 40 meist schwarz-weiße Platen-Fotografien in Kombination mit 25 Skulpturen und Gemälden von Künstlern der Galerie (wieder)-entdeckt werden. Doch deren Präsentation ist nicht platterdings neben- oder hintereinander, sondern man muss etwas auf die Suche gehen, um die Zuordnungen zu finden. Oder die Besucher flanieren einfach durch die hohen, hellen Räume und lassen sich überraschen. Vorbei am lachenden „Meister der Strichmännchen“ (A. R. Penck), am Dirigenten der verschwindenden Zahlen (Roman Opalka), am schönen und eitlen Valerio Adami oder an Per Kirkeby, den man auf den ersten Blick glatt mit Bill Murray verwechseln könnte.
Überraschend auch der wunderschöne Bronzekopf von Eva Aeppli, der Künstlerin, die Bekanntheit durch ihre unheimlichen, skelettartigen Textilpuppen erfuhr.
Zwei Foto-Werkpaare erweisen sich als absolute Highlights. Gezeigt wird ein Gemälde der japanischen Allround-Künstlerin Leiko Ikemura, darauf eine ihrer wie hingehaucht wirkenden, schlafenden oder ruhenden Menschen. Angelika Platen fotografiert die Künstlerin bäuchlings liegend davor. Über den angewinkelten Ellenbogen schaut Ikemura, fast wie einäugig, desto intensiver auffordernd, den Betrachter an. „Mir entgeht nichts“, scheint dieser Blick zu sagen. Was wie inszeniert wirkt oder von langer Hand überlegt, war mitnichten geplant. „Es hat sich einfach so ergeben, der Einfall kam aus der Situation“. erzählt die Fotografin.
Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist „der Chefideologe“ (1965) von Konrad Klapheck. Zu dem rätselhaft von innen leuchtenden Gegenstand, der mit einem ihn mehrfach umrundenden Steckerkabel umgarnt ist, gesellt sich eine ganz besonders gelungene Fotografie Angelika Platens. Klapheck mit zerrissenem Hosenladen, sich quasi ins Bild quetschend, präsentiert sein gemaltes Superweib, die Nähmaschine. Er hatte sie kurz zuvor auf den Balkon geschleppt, weil er unbedingt zusammen mit seinem Gemälde fotografiert werden wollte. Ohne Worte erfasst die Kamera, dass hinter dem akribischen Maschinenmaler der Zauberer aus dem Rheinland steckt - unübersehbar mit dem Schalk im Nacken.
Auch die Aufnahme von Andy Warhol erfasst so einen starken Moment. Entstanden ist sie 1972 bei der Eröffnung der von Gunter Sachs gegründeten Hamburger „Galerie an der Milchstraße“, die Angelika Platen mehrere Jahre leitete. Der Playboy sammelte nämlich nicht nur schöne Frauen, sondern auch Kunst. Andy Warhol ließ er extra einfliegen. Das Foto zeigt den ungefähr 44-Jährigen, festlich gekleidet, den Blick schüchtern abgewandt, in der Hand seine Polaroidkamera. Ein Bild mit dramatischen Licht-Schatten-Kontrasten. Besonders wohl scheint Warhol sich nicht gefühlt zu haben, obwohl er noch nicht ahnen konnte, - aus heutiger Sicht kaum zu glauben - dass keines seiner Werke verkauft werden sollte.
Solch „magische“ Momente erwecken den Eindruck, nicht nur in ein Gesicht zu schauen, sondern in eine Seele. Vielleicht ist das genau jene feine Nabelschnur, von der Roland Barth in den Ausführungen seiner „Hellen Kammer“ schrieb. „Durch eine feine Nabelschnur stiftet der Fotograf Leben ...“ heißt es da. Und in Angelika Platens Fotografien gelingt dies. Ihre Aufnahmen sind Ausdruck großer Nähe und Schönheit, starke Freundschaftsbilder auch, darüberhinaus dokumentieren sie eine vergangene, romantischere Zeit.
Ausstellungsdauer: 20.02. – 26.03.2022
Kunst Lager Haas
Lise-Meitner-Straße 7-9
10589 Berlin
(nur mit Termin)
Phone: +49 (0) 30 88 92 91 0
Mail: contact@galeriemichaelhaas.de
Weitere Ausstellungen mit Angelika Platen:
- Im April zeigt die Haubrok Foundation "sequenzen".
Titel zum Thema Angelika Platen:
Das Who is Who – Portrait-Fotografien von Angelika Platen im Kunst Lager Haas
Heute endet die Ausstellung „Zwiegespräche“ mit Portraits von Angelika Platen im Kunst Lager Haas. Mehr über die Fotografin in unserer Besprechung.
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