19 Uhr: Künstlerin mit dem Schwerpunkt Zeichnung. Im Rahmen der Finissage zur Ausstellung "(Dis)ordering Things". oqbo | raum für bild wort ton | Brunnenstr. 63 | 13355 Berlin
„Undine“ R.: Christian Petzold, BRD 2019
„Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten“, sagt eine Frau zu dem ihr gegenübersitzenden Mann, in einem idyllischen Straßencafé, an einem Sommertag. Mit dieser irritierenden Szene beginnt „Undine“, der neue Film von Christian Petzold.
Der Satz trifft den Kern eines Mythos. Darin ist Undine eine bezaubernd schöne Wassernixe, auf der jedoch ein furchtbarer Fluch lastet. Sie kann nur dann Mensch/Frau werden, wenn sie geliebt wird. Jede Untreue jedoch bestraft sie mit dem Tod, um dann ins Wasser zurückkehren zu müssen. Die Figur wurde in zahlreichen Romanen, Opern und Filmen, ver- und bearbeitet. Den größten Bekanntheitsgrad dürfte wohl „Die kleine Meerjungfrau“ aus dem Märchen von Hans Christian Andersen haben.
Christian Petzold hat diesen Stoff nun in eine neue, ungewöhnliche Richtung gedreht. Seine Undine will sich, wie alle seine Protagonistinnen, von ihrer Vor-Geschichte, von ihrem Schicksal, befreien. Dabei begegnet sie Christoph, so dass Johannes, der Mann aus dem Café, nochmal mit dem Leben davonkommt. Mit ihm ist von Anfang an alles anders. Nicht nur, dass er eine reine Seele hat und Undine liebt wie keiner vor ihm, sondern er teilt mit ihr auch dasselbe Element. Christoph ist Industrietaucher, sein Arbeitsplatz ein Stausee in einer Talsperre im Sauerland. Dort überwacht er unterirdisch angebrachte Turbinen.
Die erste Begegnung der beiden ist so märchenhaft symbolisch wie absurd komisch. Undine und Christoph werden von einer Welle aus Wasser, Scherben und Zierfischen zu Boden gerissen. Ein Aquarium ist geplatzt. Doch statt dies als deutliche Warnung aus der Unterwasserwelt zu verstehen, „vollziehe deinen Auftrag, töte Johannes!“, beginnt mit dieser Wassertaufe einer der feuchtesten und romantischsten Liebesgeschichten seit „The Shape of Water“ (USA 2017). Immer wieder sieht man die beiden sich im Stausee tauchend umtanzen, umgeben von exotischen Schlingpflanzen und seltsamen Fischen. Eine Welt wird hier veranschaulicht, die uns Erdenmenschen normalerweise verwehrt bleibt. Eine sprachlose Welt auch, traumhaft, irreal.
Doch Undine ist durchaus realitätstüchtig. Und klug. Sie ist promovierte Historikerin und arbeitet in einem Berliner Museum für Stadtentwicklung als Freelancerin. In zwei ausführlichen Sequenzen zeigt der Regisseur, wie sie interessierten Besuchergruppen die Baugeschichte der Stadt Berlin erklärt. Das Projekt „Humboldtforum“, die Absurdität der Rekonstruktion dieses ehemaligen Stadtschlosses, fließen ebenso in ihre Ausführungen ein, wie die Tatsache, dass Berlin eigentlich auf Sümpfen gebaut ist. Doch wer weiß das schon? Und wo sind die Wassergeister, wo die Märchen und Geschichten, die die Menschen früherer Zeiten in die werdende Stadt mitbrachten?
Christian Petzolds Filme konfrontieren grundsätzlich mit der Geschichte Deutschlands. Mit seiner Gegenwart und seiner Vergangenheit. Immer geht es ihm um die gesellschaftlichen Verhältnisse, darum wie Menschen gegen oder mit den Regeln des herrschenden Systems leben. Dabei ist die Entzauberung der modernen Welt eine Art Subtext. Doch noch nie hat Petzold ein (stadt)politisches Thema mit einem Märchenmotiv verknotet. Und in keinem seiner Filme ging es bisher so poetisch, romantisch und zart zu wie in „Undine“. Dass der Regisseur hierfür auf die beiden Schauspieler setzt, die bereits bei seinem letzten Film „Transit“ zu sehen waren, ist ein Glücksgriff. Paula Beer und Franz Rogowski spielen dieses ungewöhnliche Liebespaar einfach toll. Ob Undine sich von ihrem Fluch befreien kann? Nur soviel: die Auflösung ist ungewöhnlich. Rätsel bleiben sowieso. Doch durch Leerstellen, Zeitsprünge und Ellipsen entstehen Resonanzräume. Genau sie zeichnen gutes Kino aus.
Trailer
Titel zum Thema Filmbesprechung:
Höllenfahrt mit Pinzette. Der neue Film über Leni Riefenstahl von Andres Veiel
Filmbesprechung: Pinzetten nutzt der Mensch, wenn etwas besonders delikat ist, oder schlichtweg Ekel erzeugt. Andres Veiel hat „sein Material“, wie er in zahlreichen Interviews betont, mit eben diesem Werkzeug gesichtet und bearbeitet.
E.1027 - Eileen Gray und das Haus am Meer
Filmbesprechung: ... ein kluger Film über eine außergewöhnliche Künstlerin
CROSSING - der neue Film von Levan Akin („Als wir tanzten“)
Filmbesprechung: Ein grandioses Antidot in diesen düsteren Zeiten ...
Dorthin, wo man nichts mehr sieht ….
Filmbesprechung zu Thomas Arslan - Helle Nächte (2017) im Rahmen der Ausstellung des Filmemachers Thomas Arslan im n.b.k
Heute im Kino Arsenal.
Verbrannte Erde - Thomas Arslan
Filmbesprechung: Verbrannte Erde, so heißt der neue Film von Thomas Arslan, der einfach alles kann: Western, Road-Movie und Thriller.
(Filmstart 18.7.Juli 2024)
ANSELM - oder warum der neue Film von Wim Wenders über Anselm Kiefer Kitsch ist
Filmbesprechung von Daniela Kloock
In den Uffizien - ein Dokumentarfilm von Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch
Heute auf 3SAT | 22.20 Uhr: Unsere Filmbesprechung
Die Frau des Dichters. Über die Malerin Güler Yücel.
Filmbesprechung von Daniela Kloock
Vorsichtshalber sollten wir davon ausgehen, dass wir alle in Gefahr sind
Filmbesprechung: „Wir könnten genauso gut tot sein“ ist der erste Langfilm und Abschlussfilm (HFF) der Regisseurin Natalia Sinelnikova. Schon allein der Titel erregt Aufmerksamkeit, das Thema erst recht.
Sag mir, wo die Blumen sind…
Filmbesprechung: „Hive“ – das preisgekrönte Filmdebut der albanisch-kosovarischen Regisseurin Blerta Basholli
MONOBLOC – wie ein Plastikstuhl sein Image verändert
Filmbesprechung: In den Sommermonaten hat der Monobloc seinen großen Auftritt. Beim Grillfest, in der Strandbar, auf dem Campingplatz oder Balkon, vor der Eisdiele oder Fritten Bude, überall begegnet man dem weißen Plastikstuhl.
Jahresrückblick: Unsere besten Filmbesprechungen
Für Kunst+Film ist bei art-in-berlin Daniela Kloock zuständig. Hier eine Auswahl ihrer Filmbesprechungen 2021.
Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit. Ein Film von Julia Lokshina
Filmbesprechung: Um den Bedarf an Steaks, Koteletts und Schinken abzudecken, werden hierzulande 55 Millionen Schweine geschlachtet.
Im Land meiner Kinder
Filmbesprechung: Der Film geht existentiellen Fragen zu Identität, Integration und Selbst- und Fremdwahrnehmung nach. Polemik oder erzieherischer Impetus - welcher so viele deutsche Filme zu dem Thema charakterisiert, bleiben außen vor.
Unsere besten Filmbesprechungen 2020
Besprochen von Daniela Kloock, die sich auf art-in-berlin Fotografieausstellungen sowie Veranstaltungen im Kunstkontext widmet und vor allem leidenschaftlich Filme schaut.
Akademie der Künste
Schloss Biesdorf
Alfred Ehrhardt Stiftung
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf
Haus am Lützowplatz