19 Uhr: Künstlerin mit dem Schwerpunkt Zeichnung. Im Rahmen der Finissage zur Ausstellung "(Dis)ordering Things". oqbo | raum für bild wort ton | Brunnenstr. 63 | 13355 Berlin
Menschen, sich leise unterhaltend oder versonnen in sich gekehrt, folgen mit ihren Blicken den Bewegungen eines Foucaultschen Pendels in einer ansonsten fast leeren Kirche. Es ist ein schöner Herbsttag mitten im September und die barocke Dominikanerkirche in Münster, in deren Vierung das Pendel von der 29 Meter hohen Kuppel schwingt, wird lediglich durch ein Licht- und Schattenspiel der Sonne erhellt.
Das Pendel ist Teil des Kunstwerks "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" von Gerhard Richter, das der Künstler der Stadt Münster geschenkt hat. Seit Juni bewegt sich das 3 Millimeter starke Drahtseil mit einer 48 Kilogramm schweren Metallkugel am Ende über einer Natursteinplatte hin und her. Diese besteht aus Grauwacke, einem 380 Millionen Jahre alten Sedimentgestein, und hat einen Durchmesser von 4 Metern. Rund um die Bodenplatte ist eine in Zwölferschritten eingeteilte 360-Grad-Winkelmaß-Skalierung eingekerbt. Innerhalb einer Stunde dreht sich die Bodenplatte unter dem durch einen Magnetfeldantrieb im Zentrum der Bodenplatte in Schwingung versetzten Pendels um rund 12 Grad. Für eine vollständige Rotation um 360 Grad werden etwa 30 Stunden benötigt. Auch wenn die Wenigsten 1 Stunde geschweige denn 30 Stunden vor der Installation ausharren, erstaunt es doch, wie eine Metallkugel an einem langen Seil, die Erdrotation - ohne Bezug auf Beobachtungen am Himmel - anschaulich nachweisen kann. Erstmals wurde dieser Versuch 1851 übrigens von dem französischen Physiker Léon Foucault durchgeführt, wenn auch nicht in einer Kirche, sondern zunächst im Keller seines Hauses und später in der Pariser Sternwarte.
Doch wie der Titel der Arbeit "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" erwarten lässt, erweitern jeweils zwei rechteckige, spiegelnde Glasbahnen die physikalische Anordnung. Diese befinden sich in der Vierung vor zwei Wandflächen. Ihre Rückseiten sind grau emailliert - zwei von ihnen in Dunkelgrau, die anderen in unterschiedlichen hellen Grautönen. Seit den sechziger Jahren beschäftigt sich Richter mit spiegelnden Glasflächen und der Beziehung zwischen Bild, Raum und Betrachter.
Und so taucht auch hier die Spieglung die Besucher ins Grau der Glasscheiben, genauso den Kirchenraum mit seinem Licht- und Schattenspiel, die gegenüberliegende Spiegelfläche sowie das Pendel.
Während das Foucaultsche Pendel darauf verweist, dass Wahrnehmung und Realität nicht übereinstimmen müssen, so wird diese Erkenntnis im Spiegelbild auf einer Metaebene erneut versinnbildlicht. Und das Licht- und Schattenspiel trägt seinen Teil dazu bei.
Raumansicht, Gerhard Richter, "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel", © kuag
Titel zum Thema Gerhard Richter:
Gerhard Richter zum Neunzigsten
Glückwunsch und alles Gute.
Außerdem ist nach zweijähriger Sanierungszeit der Dominikanerkirche in Münster seine "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" wieder zu erleben -->
Video
Besprechung + Video: Über das Sichtbare hinaus
Von einem Ausflug nach Münster: "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" von Gerhard Richter in der dortigen Dominikanerkirche.
Foucaultsches Pendel von Gerhard Richter in Münster
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